DiffBau
Überwindung von Bauraumrestriktionen durch Kombination von Differentialbauweise und Fügen
Ausgangslage
Die additive Fertigung (AM) hat sich in den letzten Jahren als zukunftsweisende Technologie zur integralen Herstellung funktionsintegrierter Bauteile etabliert. Besonders das pulverbettbasierte Laserstrahlschmelzen bietet durch den schichtweisen Aufbau eine hohe geometrische Gestaltungsfreiheit und ermöglicht komplexe, individuelle Strukturen bei gleichzeitig hoher Maßgenauigkeit. Die Technologie stößt jedoch an Grenzen, wenn Bauteile ein größeres Volumen aufweisen, das den verfügbaren Bauraum überschreitet. Außerdem stößt die Integralbauweise auf nicht überwindbare Grenzen, wenn bspw. bestimmte Bereiche innerhalb eines Bauteils verschleißen und deswegen das ganze AM-Bauteil ausgetauscht werden muss anstelle der beschädigten Bereiche. In solchen Fällen erweist sich eine vollständig integrale Bauweise als nicht umsetzbar oder sogar nachteilig – etwa bei Wartungsanforderungen oder dem Einsatz unterschiedlicher Werkstoffe.
Vor diesem Hintergrund rückt die Differentialbauweise in den Fokus, bei der das Bauteil in funktional angepasste Segmente aufgeteilt und im Anschluss gefügt wird. Diese Trennung erlaubt nicht nur eine anforderungsgerechte Orientierung der Einzelteile im Fertigungsprozess, sondern reduziert auch den Einsatz von Stützstrukturen und erlaubt eine gezielte Anpassung an anisotrope Eigenschaften. Die Umsetzung einer solchen Strategie setzt jedoch die Entwicklung geeigneter Bewertungs- und Gestaltungsmethoden voraus, um die Trenn- und Fügeprozesse systematisch und zuverlässig zu gestalten.
Projektziele
Ziel des Projekts ist es, die Potenziale für große AM-Bauteile durch Nutzung der Differentialbauweise gezielt zu erschließen und mit passenden Fügeverfahren zu kombinieren. Damit werden die bestehenden Bauraumrestriktionen überwunden und die Bauteile können entsprechend der gewünschten Funktion zielgerichtet angepasst werden. Im Zentrum steht dabei die Entwicklung einer Methode zur eigenschafts- und fertigungsgerechten Trennung großvolumiger Bauteile sowie dem anschließenden Fügen entsprechend den jeweiligen Anforderungen. Die Trennung soll auf Basis funktionaler, mechanischer und fertigungstechnischer Kriterien erfolgen, wobei insbesondere die Auswirkungen der Anisotropie, und der Positionierung im Bauraum berücksichtigt werden.
Zur Sicherstellung der strukturellen Integrität der resultierenden Baugruppen werden unterschiedliche Fügeverfahren analysiert, mit Fokus auf gewindeformende Schrauben als exemplarischer mechanischer Verbindungstechnologie. Die additive Fertigung ermöglicht dabei neue Gestaltungsmöglichkeiten für die Fügezone, etwa durch Anpassung der Bohrungsgeometrie zur Optimierung der Lastverteilung. Die Verbindung wird systematisch auf ihre Wechselwirkungen mit der Bauteilstruktur untersucht, insbesondere hinsichtlich mechanischer Belastung und Fertigungstoleranzen.
Ein weiteres Ziel besteht in der maschinenlesbaren Erfassung aller Erkenntnisse in einer strukturierten Datenbank, die als Grundlage für eine digitale Bewertungs- und Entscheidungshilfe dient. Außerdem wird ein graphenbasiertes Werkzeug getestet, das es ermöglicht, Anforderungen, Einflussfaktoren und Wirkzusammenhänge kontextspezifisch zu analysieren und geeignete Trenn- und Fügestrategien zu identifizieren.
Vorgehensweise
Das Projekt gliedert sich in mehrere Arbeitspakete (AP). Zunächst werden die grundlegenden Einflussfaktoren für eine trennungsgerechte Gestaltung von AM-Bauteilen identifiziert und analysiert. Dazu zählen beispielsweise die Orientierung im Bauraum, der Bedarf an Stützstrukturen, anisotrope mechanische Eigenschaften sowie Bauteilfunktionen. Diese Aspekte werden modellhaft verknüpft, um daraus eine Methode zur Bewertung möglicher Trennflächen abzuleiten (AP 1).
Im Anschluss werden verschiedene Fügetechnologien auf ihre Eignung zur Verbindung von additiv gefertigten Bauteilsegmenten hin untersucht (AP2). Besonderes Augenmerk liegt auf gewindeformenden Schrauben. Es werden Strategien entwickelt, um die Bohrungsgeometrie so zu gestalten, dass sie sowohl fertigungsgerecht als auch mechanisch leistungsfähig ist. Die konstruktive Integration der Fügezone in das Bauteil erfolgt dabei unter Berücksichtigung von Zugänglichkeit, Wandstärken und Belastungspfaden. Die gewonnenen Erkenntnisse werden durch experimentelle Untersuchungen validiert (AP3).
Zur systematischen Aufbereitung der Ergebnisse wird eine digitale Datenbank aufgebaut, in der sowohl fertigungstechnische als auch funktionsbezogene Aspekte der Trennung und Verbindung strukturiert erfasst werden (AP4). Diese Datenbasis dient als Grundlage für die prototypische Entwicklung eines graphenbasierten Ansatz (AP5). In diesem werden alle relevanten Einflussfaktoren als Knoten und deren Wechselwirkungen als Kanten dargestellt. Damit entsteht ein praxisnahes Werkzeug zur Entscheidungsunterstützung für Konstrukteure im Umfeld von AM.