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Möglichkeiten und Grenzen des Wirkraummodells in der Produktentwicklung

Ausgangslage

Die Modellierung des Verhaltens von Wirkräumen und der Wechselwirkungen der Wirkräume über die Grenzflächen der Volumina hinweg ist eine offene Frage in der Produktentwicklung, die im Rahmen dieses Projekts bearbeitet werden soll. Mit Hilfe einer phänomenologischen Modellierung von Wirkzusammenhängen in technischen Produkten soll Expertenwissen domänenübergreifend frühzeitig im Entwicklungsprozess nutzbar werden. Bisher scheitert die Beschreibung der Funktion von mediengefüllten Wirkräumen in Analyse und Synthese der Produktentwicklung entweder an der mangelnden Nutzbarkeit des Expertenwissens in Form phänomenologischer Modelle für die Wirkräume, an der begrenzten Nutzbarkeit von Produktmodellen für komplexere Fragestellungen oder an der Akzeptanz derartiger Modelle.

Abbildung 1 zeigt exemplarisch den Vergleich von Modellelementen des bestehenden, qualitativen Wirkraummodells und des C&C² Ansatzes. Ein bedeutender Unterschied lässt sich dabei im Inhalt der Wirkräume finden. Das Wirkraummodell beschreibt diesen als mediengefüllten Raum, welchem dementsprechend Zustandsgrößen wie etwa Temperatur oder Druck zugewiesen werden können. Der C&C² Ansatz beschreibt eine Leitstützstruktur, welche etwa Kräfte oder Materialströme von einem Wirkflächenpaar zu einem anderen leitet.

Abbildung 1: Vergleich der Wirkmodelle zur Beschreibung des Verhaltens von Wirkräumen. Links nach Beetz (1), rechts nach Matthiesen (2)
Abbildung 1: Vergleich der Wirkmodelle zur Beschreibung des Verhaltens von Wirkräumen. Links nach Beetz (1), rechts nach Matthiesen (2)

(1) Beetz, J.-P.: Modelle und Methoden zur systematischen Entwicklung hygienegerechter Produkte. Dissertation Darmstadt; Technische Universität Darmstadt, 2018

(2) Matthiesen, S.: Ein Beitrag zur Basisdefinition des Elementmodells zum Zusammenhang von Funktion und Gestalt technischer Systeme. IPEK, Karlsruhe, 2002

Projektziel

Das Ziel des Forschungsvorhabens ist die Erweiterung des Wirkraummodells zur quasistatischen und transienten Modellierung technischer Systeme in der Produktentwicklung.

Das Ziel eines solchen Wirkraummodells muss also die quantitative Beschreibung der Funktionen von Wirkräumen sein, welche mit frühzeitig verfügbaren Daten eine physikalisch sinnvolle Bewertung grundsätzlicher Fragestellungen ermöglicht. Die Modelle müssen mit den Werkzeugen der Spezialisten für den späteren Ausarbeitungsprozess kompatibel sein und mit dem Reifegrad der frühen Entwicklung plausible Ergebnisse als Entscheidungsgrundlage liefern. Daher werden diese Teilziele verfolgt:

  • Prozesse in mediengefüllten Wirkräumen (Stoff, Ladung, …) als wichtige repräsentative Funktionen sind mit empirischen Modellen quasistatisch und transient beschreibbar, das Risiko von Fehl- und Nichtfunktionen kann bewertet und somit eine Entscheidungsgröße in der Produktentwicklung bereitgestellt werden.
  • Die Kopplung von Bilanzgleichungen (Energie, Stoff, Ladung, …) und Zustandsgleichungen (Ideale Gasgleichung, …) der Wirkräume wird ermöglicht und so Expertenwissen frühzeitig in der Produktentwicklung verfügbar gemacht.
  • Die physikalischen Grenzen exemplarischer Effekte werden durch charakteristische Kenngrößen der einzelnen Wirkräume beschreibbar und erlauben die vergleichende Bewertung von Varianten im Rahmen des Konzeptprozesses.

Vorgehensweise

Aufgrund der notwendigen Fokussierung werden zunächst gasförmige und flüssige (newton’sche) Medien in den Wirkräumen unter der Annahme statischer Zustände und laminarer Strömungen betrachtet. Das so erarbeitete Modell soll den Produktentwickler bei der Bewertung der Risiken unerwünschter und der Funktionserfüllung erwünschter Funktionen unterstützen. Dazu wird eine Übersicht erster Beispiele für verschiedene Wirkraumklassen zur Beschreibung von Funktionen in technischen Systemen auf der einen Seite und der Grenzen der Effekte auf der anderen erarbeitet. Ferner wird ein Vorgehensmodell zur mathematisch-quantitativen Analyse kritischer Prozesse und Betriebsbedingungen des technischen Systems mit dem Wirkraummodell vorgeschlagen und erprobt, um anschließend einen Algorithmus zur Beschreibung und Analyse realer Systeme und dynamischer Prozesse für die Produktentwicklung zu erarbeiten.

Abbildung 2: Wirkmodell des Einrohrdämpfers zur Herleitung der Bewegungsgleichung des Dämpfers. Wirkräume von Drossel (hellblau), Ölräumen (orange) und Luftraum als elastischer Luftfeder (rot) sowie Wirkkörper Arbeitskolben (grün) und Trennkolben (dunkelblau) (Aufbauend Beetz; Bildquelle ZF Friedrichshafen)
Abbildung 2: Wirkmodell des Einrohrdämpfers zur Herleitung der Bewegungsgleichung des Dämpfers. Wirkräume von Drossel (hellblau), Ölräumen (orange) und Luftraum als elastischer Luftfeder (rot) sowie Wirkkörper Arbeitskolben (grün) und Trennkolben (dunkelblau) (Aufbauend Beetz; Bildquelle ZF Friedrichshafen)